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Die Lourdesfahrt

Veröffentlicht am 28.01.2014


Die Lourdesfahrt








1969,ich war 16 Jahre alt, habe ich mit mit meiner Oma eine Fahrt nach Lourdes gemacht. Zuerst musste ich einen Sonderurlaub mit meinem Berufsschuldirektor vereinbaren und musste ihm versprechen dass ich unbedingt eine Flasche mit Lourdeswasser mitbringen sollte.




Also bin ich mit Oma zum Saarbrücker Hauptbahnhof gefahren. Wir fuhren in zwei Sonderzügen .Dort erwartete uns der Wahnsinn. Lauter Alte und Kranke befanden sich in zwei Zügen. Ich war der einzige Jugendliche weit und breit. Dafür wurde ich immer gescheucht. Fredi nannte sie mich anfangs. Das entwickelt sich aber immer mehr zu einem Ferdi und meine Oma sagte das auch. „Ferdi, geh mol Tee holle, Ferdi, geh mol Kaffee holle.“




Da bin ich am Anfang, wir waren kaum aus Saarbrücken raus, rumgehetzt worden und habe Kaffee und Tee transportiert. Das ganze ging über mehrere Waggons und hatte sich schnell rumgesprochen.




Ich war anschließend so fertig, dass ich schlafen wollte. Aber es ging nicht. Es waren 4 Omas und ich, in einem Abteil, wo nur 6 Plätze waren.Die Omas haben den freiwerdenden Platz genutzt um ihre Beine darauf zu legen.Ich war da zusammengequetscht und konnte nicht schlafen. Meine Oma betete noch einen Rosenkranz. Um 3 Uhr morgens hielten wir in Lyon. Da stieg ich über die Omas aus um etwas Luft zu schnappen und zog ein Fenster nach unten.




Um 5 Uhr, ich war gerade erst eingeschlafen, hallte es durch den gesamten Zug: „ Ihr Christen erwachet!“ Irgendein Priester hatte das durch einen Lautsprecher, die jedes Abteil hatte, gebrüllt.




Dann begann ein Ziehen und Drängeln. Die Omas erhoben sich von ihren Sitzen und es ging los zur Morgentoilette. Ich wollte das nutzen ,um weiter zu schlafen. Aber es war unmöglich. Die Omas haben mich geschüttelt und gerüttelt. „ Ferdi, steh of und hol uns Kaffee!“ Dann entwickelte sich eine riesige Schlange vor dem Waschraum um sich notdürftig zu waschen.




Die Leute waren noch nicht fertig damit, als ein Priester wieder rief. „Und lass uns den glorreichen Rosenkranz beten!“




Alles was draussen stand ,kam wieder rein und dann ging es erst richtig los. Ave Maria.... u.s.w. . Morgens um 7 Uhr waren wir schließlich am Mittelmeer.




Liebe Christen, zur Linken seht ihr nun das Mittelmeer“, sagte irgendein Priester, der irgendwo an der Lok war. Da gab es kein Halten mehr. Die Omas stürzten aus dem Abteil und waren ruck zuck draußen. Und es gab ein:“ Oh, ah und ih“ vor Erstaunen um das Meer. Dann, als das Mittelmeer langsam hinter dem Horizont verschwand, ging es wieder los mit dem Gescheucht. „ Ferdi, geschde mol Kaffee holle, Ferdi geschde mol Tee holle!“ Ich musste da mehrere Waggons bedienen. Gegen 12 Uhr erreichten wir schließlich Lourdes.




Ich war erschöpft und sehnte mich nach einem Bett. Aber das einchecken in dem Hotel fehlte noch. Jeder ist natürlich gefragt worden: „ Einzel- oder Doppelzimmer?“




Ja, ein Doppelzimmer. Gell, mir schlofe zusammen!“ sagte die Oma Anna. Ich konnte auf jeden Fall nichts anderes mehr sagen. Ich musste mit Oma das Bett teilen. Dann gab es ein Mittagessen.




Nach dem Mittagessen hatte ich endlich Zeit zum Ruhen. Dachte ich! Doch es verging keine Zeit an der sie nicht betete. Nach dem Abendessen gingen die einzelnen Prozessionen los. Um 22 Uhr fing es an mit den Italienern, die sich zu einer riesigen Schlange formierten. Um 23 Uhr kamen die Engländer und danach kamen wir, mitten in der Nacht, die Fackeln in der Hand. Wahnsinn!




Morgens um 3 Uhr kamen wir endlich zum Schlafen. Morgens um 6 Uhr ging es wieder los. „Ab, Ab wir gehen in die Kersch“, sagte die Oma. Danach war eine Kreuzwegstation. Der Oma, die sonst immer vor Rückenschmerzen jammerte, waren die Rückenschmerzen wie weg geblasen und sie litt nicht mehr. Die Oma ging immer vorneweg. Sie war fit wie nie.




Anschließend sind wir durch die Geschäfte gegangen. Sie hat dort Madonnenstatuen in Flaschenform gekauft und Kanister in den unterschiedlichsten Größen. Die Oma hat da mengenweise eingekauft. „ Kauf do noch einen!“ Ich musste dann nachmittags immer an die Quelle, um da ein paar Kanister zu füllen. Am Schluss hat es in unserem Hotelzimmer so ausgesehen ,als habe eine Bombe darin eingeschlagen. Überall waren Kanister. Auf dem Schrank. Im Flur. Sogar in der dreckigen Wäsche waren welche. Wir hatten am Schluss sogar 3 hl Lourdeswasser. Die ganze Anzahl musste noch zum Bahnhof. Da bin ich zigmal gelaufen um das Lourdeswasser vom Zimmer bis zur Eingangshalle unseres Hotels zu bringen und von da ging es ab zum Bus ,der mich und Oma zum Bahnhof brachte. Am Bahnhof angelangt, musste ich noch die Kanister zum Bahnsteig schaffen und von da an in den Zug.




Ich war bib und fertig, als wir im Zug saßen. Von da an ging es richtig los.




Ferdi, geh mol Tee holle, Ferdi, geh mol Kaffee holle!“ Das war keine Erholung mehr für mich, das war eine einzige Strapaze. Als wir in Saarbrücken ankamen, mussten wir die ganzen Kanister wieder raus bringen. Wir fanden „Gott sei Dank“ noch eine liebeswerte Oma, die auf Gleis 1 wartete ,die Kanister bewachte, während ich das ganze Wasser auf Gleis 18 brachte , wo der Zug nach St.Wendel auf uns wartete. So wurde auch nichts gestohlen . Der Zug fuhr ab nach St.Wendel um genau 17 Uhr, also zur Rushhour. Da war es schwierig ,in den Zug zu kommen. Die Oma hatte selbstverständlich noch einen Sitzplatz ergattert. Ich musste auf dem Flur ausharren mit den ganzen Kanistern.




Schließlich kamen wir in St.Wendel an. Da begann die gleiche Prozedur. Der Zug hatte hinterher einige Minuten Verspätung.




Dort erwartete uns unsere gesamte Familie . Mutter, Vater, Uwe, Ruth und Gisela. Was war das Ende vom Lied: Das Auto war also schon ohne Kanister voll. Die andern verpackten die Reise-Utensilien im Kofferraum, die Kanister wurden auf den Schößen der übrigen Insassen verteilt. Nur Gisela und ich mussten auf dem Bahnhof warten, um die restlichen Kanister bei einer Extrafahrt nach Bliesen zu transportieren.




Zuhause angekommen, war schon Hey-Life. Alle mussten wir erzählen wie es gewesen war und ob wir auch Lourdeswasser mitgebracht hatten. Jedes Mal wurde der Vorrat an Lourdeswasser kleiner. Bis nur die ganz großen Kanister noch übrig waren. Später hat Oma vorsorglich nach oben bringen lassen, wo auch ihr Schlafzimmer war. Da hat mich meine Oma gebeten die ganz großen Kanister, die zum Abfüllen gedacht waren, zu bringen. Ich kam unverrichteter Dinge zurück.




Das gibt’s doch net“, sagte die Oma. „Die han mir doch vorhin vors Bad gestellt.“ Wir gingen hoch. Tatsächlich -sie waren nicht mehr vor dem Bad . Das Bad war abgeschlossen. „ Wer is denn da drin!“ sagte Oma.




Wir hörten plötzlich das Geräusch eines Wannenstöpsels ,der entfernt wurde und sahen meine Schwester Gisela aus dem Bad kommen, nur mit einem Bademantel bekleidet. Wir schauten ins Bad. Da lagen die Kanister und waren leer. Wir sahen noch das Wasser ,das aus der Wanne floss. Wutentbrannt ist die Oma der Gisela gefolgt. Wir erhielten zur Antwort:




Ich han geklaabt man würde durch das Lourdeswasser abnehme!“




Dann war die „Freude groß“. Nur was sollte ich dem Berufsschuldirektor sagen?




Mein Vater ist darauf hin in die Wurstküche gelaufen und hat einen der Kanister abgefüllt.




Wenn er nicht gestorben ist, segnet sich noch heute der Berufsschuldirektor mit „meinem“ Lourdeswasser.